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Was Medien in Kinder auslösen können

15. Februar 2021

Kinder leiden derzeit stark unter Ängsten, das zeigt uns der massive Bettenmangel in vielen kinderpsychiatrischen Einrichtungen. Eine Ursache ist aus entwicklungspsychologischer Sicht die Art und Weise, wie in den Medien mit dem Thema Coronavirus umgegangen wird. Dabei wird derzeit leider zu wenig darauf geachtet, wie Kinder diese Informationen verarbeiten. Kinder unter zehn Jahren können gewisse Begriffe noch nicht so abstrahieren wie Erwachsene und reagieren darauf oft mit einem Gefühl des Bedroht-Seins. Verantwortlich dafür ist der Stand der kognitiven Entwicklung von Kindern. Die meisten Kinder unter zehn Jahren sind noch in der Phase des anschaulichen Denkens, und es ist für sie noch nicht möglich, abstrakte Informationen auch selbst entsprechend zu abstrahieren. Bei noch kleineren Kindern kommt hinzu, dass sie Phantasie und Realität noch nicht so gut voneinander unterscheiden können, was Jean Piaget als Magisches Denken bezeichnet hat und was auch ohne pandemische Bedrohungen zu Alpträumen und Ängsten führen kann. Eindrucksvoll zeigt dies ein Beispiel aus den Medien, wonach ein Kind Angst vor den Zahlen auf dem Adventkalender entwickelte, weil es in den Medien immer wieder von explodierenden Zahlen hörte. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Medien das Coronavirus möglichst realistisch und möglichst groß inklusive RNA-Strängen darstellen, um den Eindruck von Wissenschaftlichkeit der gelieferten Informationen zu erwecken. Für Kinder können sich diese RNA-Stränge leicht zu Würmern entwickeln, die sie in ihren Träumen verfolgen. Kein Wunder also, dass viele Kinder versuchen, sich diese Viren durch Wasch- und andere Zwänge vom Leib zu halten. Ähnlich problematisch sind die extrem häufigen Darstellungen von Nasenabstrichen oder Impfungen in den Medien, bei denen Erwachsenen das Unwohlsein anzusehen ist. Kinder orientieren sich hinsichtlich ihrer emotionalen Einschätzung häufig an Erwachsenen.

Die Verantwortung liegt bei den Medien, bis zu einem gewissen Grad bei den Eltern und letztlich bei allen Erwachsenen. Auf der einen Seite sollten MedienvertreterInnen bei gleichzeitigem Anspruch auf forschungsbasierte Darstellung darüber nachdenken, welche Phantasien sie mit bestimmten Abbildungen und Formulierungen in Kindern auslösen können. Eltern können ihre Kinder schützen, indem sie sie nicht diesen unbedachten Darstellungen aussetzen oder versuchen, Einblick darüber zu erhalten, wie Kinder die eine oder andere Information aufnehmen und interpretieren, um vorbeugende Erklärungsgespräche führen zu können. Bei Filmen ist es vollkommen üblich, die Altersadäquatheit zu prüfen, bei den Nachrichten hat sich diese Idee zumindest seit Corona noch nicht eingebürgert. Wichtig wäre für die Zukunft, einen wissenschaftlich korrekten Umgang mit Informationen für Erwachsene beizubehalten, der Kindern möglichst wenig Gelegenheit gibt, sich davor ängstigen zu müssen.


Presseaussendung
Dr. habil. Barbara Hanfstingl
Psychologin und Assoziierte Professorin am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung
Universität Klagenfurt


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